Gesichter beurteilen mit KI
Bislang waren in der ästhetischen Medizin eine Beurteilung des Ausgangszustands und der Behandlungsergebnisse auf Vorher-nachher-Bilder beschränkt. Aktuelle Bewertungsskalen sind oft nur teilweise objektiv und konzentrieren sich auf einzelne, isolierte Gesichtsmerkmale. Die Validität solcher Skalen hängt von der subjektiven Interpretation des Anwenders ab – eine Variabilität, die eine objektive Standardisierung nicht ermöglicht. Digitale Werkzeuge, die speziell auf dermatologische Anwendungen zugeschnitten sind, sind ebenfalls nur begrenzt verfügbar.
12.02.2025
K. Fritz
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Zitierweise: HAUT 2025; 36 (1): 36-39
Wie aber kann es gelingen, den Erfolg von Behandlungen messbar zu machen und die Beurteilung von Gesichtern objektiv zu gestalten? In der ästhetischen Medizin gab es bislang keine standardisierten Bewertungsmaßstäbe zur Beurteilung und Behandlung. Eine allgemein akzeptierte Definition von Schönheit und Attraktivität fehlt ebenfalls.
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) können wir die Grenzen menschlicher Subjektivität sowie die Einschränkung der nur isolierten Betrachtung ästhetischer Merkmale überwinden und zuverlässige und objektive Standards anwenden, die eine ganzheitliche Bewertung des menschlichen Gesichts ermöglichen. Hierzu wurde ein KI-Assistent entwickelt, der 1.030 Variablen über 17 Gesichtseigenschaften hinweg analysiert. Basierend auf über 100 Jahren kumulierter Erfahrung und mehr als 250 begutachteten Publikationen verwendet dieser Assistent automatisierte Datenverarbeitung und selbstlernende Algorithmen für objektive und reproduzierbare Gesichtsanalysen. Daraus wurden neue Gesichtsindizes entwickelt:
- Facial Aesthetic Index (FAI),
- Facial Youthfulness Index (FYI) und
- Skin Quality Index (SQI)1.
Mithilfe von vier standardisierten Fotos mit verschiedenen Gesichtsausdrücken analysiert und vergleicht der FAI die einzigartigen Merkmale eines Patienten mit den Durchschnittswerten großer Datensätze zu etwa Hautbeschaffenheit, Proportionen, Symmetrie, Volumen, Lippenoberfläche, Verhältnis Ober-/ Unterlippe und Faltenbildung. Daraus wird ein ganzheitlicher FAI-Score berechnet, der die Attraktivität des Gesichts anhand mathematischer Prädiktoren bestimmt.
Der Facial Aesthetic Index (FAI) und der Facial Youthfulness Index (FYI) sind Ergebnisse umfangreicher Datenauswertungen, die verschiedene Geschlechter, Altersgruppen und ethnische Hintergründe berücksichtigen. Diese Indizes fungieren als Diagnose- und Beratungsassistenten, die einen umfassenden Eindruck von der Attraktivität des Gesichts vermitteln. Die Datensätze werden durch digitale Bilder und Live-Bewertungen validiert. Mithilfe der KI-basierten Algorithmen können FAI und FYI potenzielle Behandlungsmaßnahmen – auch im frühen Stadium – identifizieren und priorisieren, um individuelle Behandlungsempfehlungen zu unterstützen. Zusätzlich bieten sie eine nachvollziehbare Verlaufskontrolle für durchgeführte Behandlungsergebnisse.
Bislang fehlen sowohl Anbietern von Ästhetikprodukten als auch Ärzten selbstlernende Bewertungsinstrumente, die sich kontinuierlich verbessern. Der Bedarf an objektiven, umfassenden Bewertungswerkzeugen, die patientenspezifische Faktoren berücksichtigen, ist groß. Eine besondere Herausforderung besteht dabei in der Beurteilung verschiedener ethnischer Gruppen. In einem Konsensus-Meeting internationaler Experten verschiedener Fachrichtungen kam man zu folgendem Schluss:
- Für ostasiatische Wurzeln wurden sechs Gesichtsformen, sechs Stirnformen, drei Wangenformen, fünf Augentypen, vier Nasenformen, fünf Lippenformen und fünf Kinnformen analysiert.
- Für indische Wurzeln wurden acht Gesichtsformen, fünf Stirnformen, fünf Wangenformen, fünf Augentypen, sechs Nasenformen, sechs Lippenformen und vier Kinnformen analysiert.
- Für kaukasische Wurzeln wurden fünf Gesichtsformen, sechs Stirnformen, sechs Wangenformen, fünf Augentypen, fünf Nasenformen, sechs Lippenformen und fünf Kinnformen analysiert.
- Für lateinamerikanische Wurzeln wurden sieben Gesichtsformen, fünf Stirnformen, fünf Wangenformen, fünf Augentypen, fünf Nasenformen, fünf Lippenformen und fünf Kinnformen analysiert.
Die Notwendigkeit validierter objektiver Tools zur Gesichtsanalyse, das Berücksichtigen geschlechtsspezifischer Unterschiede und das Einbeziehen der genetischen Herkunft der Patienten in die KI-Systeme werden als entscheidend für die Weiterentwicklung angesehen.
Fazit
Ein Implementieren von KI in die Befunderhebung für Fragen der ästhetischen Medizin ermöglicht es, die Beurteilung und Beratung der Patienten zu standardisieren, zu verbessern und Überkorrekturen zu verhindern7. Diese KI-gestützte Auswertung bietet Patienten und Ärzten klare Einblicke in den ästhetischen Gesamtzustand des Gesichts und gibt Hinweise darauf, welche Bereiche für ästhetische Behandlungen priorisiert werden sollten. Sie ermöglicht zudem eine objektive Bewertung der Behandlungsergebnisse. Dies erhöht die Motivation der Patienten, die Behandlungsempfehlungen einzuhalten, und bietet den Ärzten eine umfassende Dokumentation zur Qualitätssicherung. Darüber hinaus kann diese Technologie als leistungsfähiges Aufklärungs- und Kommunikationsinstrument das Vertrauen zwischen Patienten und Ärzten stärken.
Über die Autorinnen und Autoren: Klaus FritzI,IV, Rainer PoothV, Carmen SalavastruI,II,III
I Univ. f. Med. u. Pharmazie Carol Davila, Bukarest, Rumänien; II Colentina Clinical Hospital, Bukarest, Rumänien; III Forschungseinr. f. Dermato-Onkologie, Abt. Kinderdermatologie, Bukarest, Rumänien; IV Dermatologie und Laser Consultationszentrum, Landau;
V ICAAN GmbH (Intercultural Aesthetic Navigation), Frankfurt
1. caarisma.com
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7. Frank K, Day D, Few J et al. J Cosmet Dermatol. 2024 Aug 1. doi: 10.1111/jocd.16481. Epub ahead of print. PMID: 39091136.
Korrespondenzadresse
Univ.-Professor associat (inv. Ro)
Dr. med. Klaus Fritz
Büro: Reduitstraße 13, 76829 Landau
E-Mail: drklausfritz(at)drklausfritz.com